Vom Schiffskapitän zum Friseurmeister

Eine Schülerin lernt den Umgang mit einem Lockenstab an einer Friseur-Übungspuppe kennen. © Natascha Lieber

Muataz Asmi flüchtet 2015 aus dem Irak – heute bringt er Schülern das Friseurhandwerk näher

Wo sonst kaufmännisches Wissen vermittelt wird, herrscht Betriebsamkeit. Im Theorieraum 2 des Bildungs- und Technologiezentrums der Handwerkskammer (BTZ) arbeiten zehn Schülerinnen und Schüler der Dammrealschule in Heilbronn an Frisierköpfen: Locken drehen, einzelne Haarsträhnen abtrennen und feststecken, Zöpfe flechten. Wie daraus eine schicke Frisur entsteht, zeigt ihnen Muataz Asmi aus Crailsheim.

Der 29-jährige Friseur ist zum ersten Mal als Dozent bei einem Berufsorientierungsprojekt im BTZ im Einsatz. Eine Berufsschullehrerin hatte ihn angesprochen. „Das hat mich sofort interessiert. Bei mir im Salon sitzen oft junge Leute, die nicht wissen, was sie beruflich machen wollen. Dabei bietet das Handwerk so tolle Berufe“, ist er überzeugt.

Bei mir im Salon sitzen oft junge Leute, die nicht wissen, was sie beruflich machen wollen. Dabei bietet das Handwerk so tolle Berufe.
Muataz Asmi, Friseurmeister

Muataz Asmi © Natascha Lieber

Berufsorientierung für Achtklässler

In den vergangen zwei Tagen ging es darum, den Achtklässlern einen Einblick in das Friseurhandwerk zu geben. „Was habt ihr gelernt?“, fragt Asmi in die Runde. Die Arme gehen hoch. Die Schüler erzählen, wie man schonend mit Haaren umgeht, welche Frisur zu welcher Gesichtsform passt und welchem Hauttyp welche Haarfarbe am besten steht. Asmi lächelt zufrieden. Er bedankt sich für die gute Mitarbeit und bittet die Schüler noch, den Raum mit aufzuräumen. Vor acht Jahren wäre das noch undenkbar gewesen. Statt mit Haaren hat er sich damals mit Schiffsmotoren beschäftigt.

Muataz Asmi ist im Irak aufgewachsen. Nach der Schule hat er eine Ausbildung zum Kapitän beim Militär begonnen. Damals sein Traumberuf, wie er sagt. Seine Familie sieht sich jedoch gezwungen, aus religiösen Gründen Hals über Kopf den Irak zu verlassen und alle Träume zerplatzen. Im Oktober 2015 kommen sie in einer Flüchtlingsunterkunft im Crailsheimer Stadtteil Onolzheim an. Ohne Deutschkenntnisse. Ohne zu wissen, wie es nun weitergeht.



Haare schneiden in der Unterkunft

Im Irak hat Asmi an den Wochenenden im Friseursalon seines Bruders ausgeholfen. So war es ein Leichtes für ihn, den Bewohnern der Unterkunft die Haare zu schneiden. Als eine Betreuerin das sieht, fragt sie ihn, ob er ein Praktikum bei einem Friseur machen möchte. Sie organisiert einen Termin im Salon von Christine Gallasch in Satteldorf. Beide sind sich auf Anhieb sympathisch. Als das Praktikum nach zwei Wochen endet, ist der junge Mann enttäuscht.

„Mit dem Wort ‚Praktikum‘ konnte ich nichts anfangen. Ich dachte, die Chefin sei nicht zufrieden und will mich nicht länger im Laden haben“, sagt er schmunzelnd. Das Missverständnis klärt sich auf und es kommt noch besser. Gallasch stellt ihn als Männerfriseur ein. Damit wird der Grundstein für Asmis Laufbahn im Handwerk gelegt.

Einen großen Anteil daran hat seine Chefin, die ihn unterstützt, wo sie nur kann. Beispielsweise beim Deutsch lernen. Damit er beim Vokabeln lernen vorankommt, gibt sie ihm jeden Tag eine Liste mit zehn Wörtern mit, die er bis zum nächsten Tag können muss, erzählt Asmi. Außerdem organisiert sie ihn einen Nachhilfelehrer. „Noch vor der Arbeit ging es los. Morgens um 6:30 Uhr saß ich mit einem 16-jährigen Schüler im Salon und habe eine Stunde lang mit ihm gelernt. Das war manchmal schon anstrengend, aber ich war dankbar für die Hilfe“, sagt Asmi.

Abschiebung drohte

Auch als er einen Abschiebebescheid erhält, steht ihm seine Chefin zur Seite. Sie bietet ihm an, eine Friseur-Lehre bei ihr zu absolvieren. „Das war meine Rettung“, sagt er. Während der Ausbildung beweist Asmi erneut seinen Fleiß und sein Durchhaltevermögen und schafft die Gesellenprüfung auf Anhieb.

Zeit zum Durchatmen könnte man meinen. Asmi legt aber auch noch die Meisterprüfung ab, denn er hat einen neuen Traum: Die Selbstständigkeit im Friseur-Handwerk. Seine Chefin möchte in Rente gehen und wünscht sich Asmi als Nachfolger. „Ich bin wirklich stolz darauf, dass sie mir das zutraut. Ich habe ihr so viel zu verdanken. Ich möchte unbedingt, dass das klappt“, so Asmi.